Verführerische Klänge aus ferner Zeit - Seductive sounds from a remote past - Rezension des Auftritts Phantasm beim Aschaffenburger Bachtage

Verführerische Klänge aus ferner Zeit

Bachtage:Berliner Gamben-Consort Phantasm ließ die Schwüle im Kapitelsaal des Stiftsmuseums vergessen

 

 Aschaffenburg Mittwoch, 25.07.2018 - 20:28 Uhr 

Hat es so geklungen am englischen Königshof zu Zeiten von Elisabeth I. und Jakob I? Waren es Klänge so weich und verführerisch, so fein und harmonisch, wie das Gamben-Consort Phantasm - ein zutreffender Name - am Dienstagabend ihren selten zu hörenden Instrumenten entlockten und damit die Zuhörer die Schwüle im aufgeheizten Kapitelsaal des Stiftsmuseums vergessen ließen?

Strenge Reduziertheit

Es war eine ferne Welt, in die man sich erst einhören musste, um in der Reduziertheit der streng geregelten musikalischen Ausdrucksformen die kompositorische Raffinesse zu entdecken - und um die Sensibilität und Virtuosität der Musiker Laurence Dreyfus (Diskant-Gambe), Jonathan Manson (Tenor-Gambe) aus Schottland und Markku Luolajan-Mikkola (Bass-Gambe) aus Finnland richtig würdigen zu können. Es gibt Kritiker, die das seit 1994 durch die Welt tourende Ensemble Phantasm, zu dem noch zwei weitere Musiker gehören, als weltbestes Gamben-Consort einschätzen.

Dessen aus Boston stammender und jetzt in Berlin lebender Gründer Dreyfuß ist auch Musikhistoriker und Mitglied der British Academy. Der Fachmann für Gamben-Literatur der englischen Renaissance und frühen Barockzeit hatte für den Auftritt im Rahmen der Aschaffenburger Bachtage »Perlen der Polyphonie« zusammengestellt.

Selbstverständlich schlug das Programm den Bogen hin zu Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750). Dessen Contrapunctus 8 aus der »Kunst der Fuge« war der krönende Schluss. Dem Trio mit den zu Bachs Lebzeiten noch sehr gebräuchlichen Instrumenten gelang ein bemerkenswerter Brückenschlag. Zum einem bewerkstelligte es mit der historisch durchaus möglichen Besetzung - Bach selbst hat keine Anweisung hinterlassen - eine Verankerung in der langen Tradition des Gamben-Consorts, dessen meist höfische Berufsmusiker den Kontrapunkt, die Lehre von der Organisation mehrstimmiger Musik, zur Blüte gebracht hatten. Zum anderen ließ die brillante Umsetzung von Bachs komplexer Tonkunst bereits spätere Musikepochen wie Klassik und Romantik aufschimmern.

Dass beim virtuosen Phantasm-Spiel kurz ein unbeabsichtigtes Zirpen wie von einer Grille erklang, erhöhte den Reiz des späten Bachschen Meisterwerks nur noch. Didaktisch geschickt gewählt war die Zugabe. Eine anmutige und lebhafte Pavane von Thomas Lupo führte die Zuhörer zurück zum Anfang des Konzerts und zur Erkenntnis, dass Gamben-Consorts eventuell süchtig machen, sicher aber neugierig auf mehr von diesen englischen Meistern der raffiniert wechselnden Rhythmen und der innig miteinander verflochtenen Melodien.

Wundervoll aufpoliert

Elway Bevin (1554 bis 1638) kam mit »Browning« zu Ehren, dessen Motiv aus einem Volkslied über die braunen Haselnüsse im Herbst stammt. Weiter ging es mit Fantasien von Thomas Tomkins (1572 bis 1656), von dessen Lehrer William Byrd (1540 bis 1623) und von Orlando Gibbons (1583 bis 1625). Zwei Suiten aus der Sammlung »The Flat Consort« stellten Matthew Locke (1622 bis 1677) als Meister der kunstvoll stilisierten Tänze dar. Locke beeinflusste den großen englischen Komponisten Henry Purcell so stark, dass auch er sich der - damals schon etwas altmodischen - Gattung Gamben-Consort annahm und Kostbarkeiten wie die »Three Fantazias« schuf. Schön, sie so wundervoll aufpoliert zu bekommen vom fantastischen Phantasm.

 

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