Emilia Benjamin

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Emilia Benjamin fand auf recht verschlungenen Wegen zur Gambe. Es begann damit, dass sie sich – eigentlich in der Absicht, englische Literatur zu studieren – aufgrund einer verschwommenen Erinnerung an den dortigen Campus für die Universität von East Anglia entschied; wobei die Verschwommenheit den Schlaftabletten ihres Vaters geschuldet war, von denen sie, aus Angst, nicht schlafen zu können, am Abend vor ihrem Bewerbungsgespräch an der Universität zwei genommen hatte. Angesichts der Tatsache, dass ihrem Vater gewöhnlich eine halbe Tablette ausreichte, um in einen totenähnlichen Schlaf zu versinken, scheint es allerdings geradezu ein Wunder, dass sie überhaupt an der Universität ankam… Dort irrte sie – wohl in vorausschauender Ahnung – versehentlich erst einmal durch die Fakultät für Musik, kicherte sich dann durch ihr Bewerbungsgespräch, und stellte, als sie schließlich zum ersten Semester antrat, erstaunt fest, dass der Campus, an den sie sich zu erinnern geglaubt hatte, tatsächlich derjenige der Universität von Warwick gewesen war.

Dies erwies sich als sehr glücklicher Irrtum, denn an der UEA war es ihr möglich, einen Teil ihres Studiums in der Fakultät für Musik zu absolvieren, wo sie, die seit ihrem fünften Lebensjahr Geige gespielt hatte, vom ersten Pult aus das Orchester leitete, und ein ihr Leben veränderndes Konzert von Dowlands Lachrimae besuchte, deren Klang sie als so himmlisch empfand – selbst in der Schuhschachtel aus Beton, die man an der UEA Konzertsaal nannte –, dass sie augenblicklich zur Gambistin mutierte. Glücklicherweise besaß die Universität einen Satz Gamben und beschäftigte einen enthusiastischen Dozenten für Consortspiel.

Im Laufe der vier Jahre, die sie dort verbrachte, wechselte Emilia zum Fach Kunstgeschichte und baute im Workshop eines Lautenbauers ihre eigene Diskantgambe, die sie bis zum heutigen Tage spielt. An einem gewissen Punkt ereilte sie die Einsicht, dass, wenn sie schon einen Großteil ihres Lebens mit Arbeit verbringen sollte, diese Arbeit doch wenigstens das sein sollte was sie am liebsten tat. Das war – und ist – Consortspiel. So studierte sie pflichtgemäß an der Guildhall School of Music and Drama Alte Musik und spezialisierte sich auf Gambe und Barockvioline.

Die folgenden 25 Jahre bis heute verbrachte Emilia mit Konzerten und Aufnahmen, nicht nur mit Gambenmusik übrigens, sondern mit einer gesunden Mischung eines guten Teils der westlichen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, wobei sie nicht nur Gamben, sondern auch Violine, Viola und Lirone spielt. Ihre spärliche Freizeit teilt sie zwischen ihrem kleinen Sohn, ihrem Hund, ihrem Garten und ihrem Ehemann auf – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

David Skudlik